
Fascinosum Finale – Schostakowitschs Violasonate im Fokus
Analytische Annäherungen mit Daniel Moser-Shibata und Peter Hrncirik
Letzten Werken bedeutender Musikschaffender wohnt oft ein eigener Zauber inne, sie sind von der Aura eines Vermächtnisses an die Nachwelt umgeben.
Nicht selten blieben sie unvollendet: Bachs Kunst der Fuge, Mozarts Requiem, Brahms’ Choralvorspiele, Bruckners Neunte, Mahlers Zehnte, Hindemiths Messe…
Solche Werke nehmen uns Hörende gleichsam an der Hand, schreiten mit uns zum Tor des großen Übergangs und lassen uns die Klang- und Sonnengrüße eines weiten, unergründlichen Landes danach erahnen, erhören, erschauen – man mag es »Ewigkeit« oder »ewiges Leben« nennen.
Dmitri Schostakowitsch nahm mit seiner Violasonate op. 147 Abschied von der Welt, als Komponist wie als Mensch. Mit zittriger Hand konnte er die Partitur am 5. Juli 1975, vier Wochen vor seinem Tod am 9. August 1975, gerade noch vollenden. Er wusste wohl um sein nahes Ende und ließ in diesem Werk nicht nur sein eigenes kompositorisches Schaffen höchst schlüssig Revue passieren; gerade das »Finale« dieses finalen Werks, der fast schwerelos und schwebend entrückt anmutende und dabei doch so tiefgründige 3. Satz, in schlichtem wie lichtem C-Dur verhauchend, atmet jene »zweite Einfachheit«, wie sie nur Großen zu gestalten vergönnt ist; voll von musikalischen Eigen- und Fremdzitaten und beziehungsreichen Allusionen, stellt uns diese enigmatische Musik hinter klarer Fassade viele Fragen bzw. gibt uns Antworten auf Fragen, um die wir gar nicht wussten, und führt uns so (im Sinne Karl Jaspers’) an jene »Chiffren der Transzendenz« heran, die das Menschsein als seelisches Mysterium über sich selbst erheben.
Daniel Moser-Shibata und Peter Hrncirik versuchen, sich dem Stück analytisch anzunähern, Antworten zu geben bzw. Fragen zu finden und einige Strukturen dieser Finalmusik wenigstens im Ansatz zu erhellen, ehe sie den rätselhaften wie rätselhaft schönen Satz zu »finalem« Erklingen bringen werden.
